Shanghai und keine brennenden Brücken
Ich bin in meinem Leben schon oft umgezogen. Viel zu oft. Ich lebe, seit ich 16 Jahre alt bin, nicht mehr im eigenen Elternhaus (außer ein paar wirklich kurze Übergangszeiten zur Bundeswehr, da an Wochenenden und ein paar Wochen nach meiner Rückkehr aus China). Ein paar Jahre DDR habe ich noch mitgenommen, kann mich aber nicht mehr an viel erinnern. Geld tauschen war cool. Das habe ich bisher schon 3 Mal gemacht. Dorf, Stadt, Großstadt, Megacity, Dorf, Großstadt oder so in verschiedenen Variationen habe ich schon erlebt.
An verschiedenen Stellen und auch um mich zu finden und gerade in der Zeit von 16 bis 25 versuchte ich mich selbst zu finden. Ossi wollte ich nicht mehr sein. Dorfkind wollte ich nicht mehr sein. Gefangen im Status Quo wollte ich nicht sein und war dann auch in den prägenden Jahren bei der Bundeswehr und später selbstständig als Versicherungsvertreter. Immer auf der Suche nach Vaterfiguren und Vorbildern. Ich hab sogar damals FDP gewählt, weil ich Westerwelle cool fand, ich hatte auch sonst nicht viel Ahnung. Nach meinem Studium in Zwickau erinnere ich mich auf dem Sofa in Dörfel gesessen zu haben und schon wieder weg zu wollen. Ich bewarb mich, auf Jobs zu denen man gar kein Studium oder irgendwelche Voraussetzungen brauch und landete im Recruiting. Wieder war ich in meiner Emanzipation gefangen. Wieder Verkäufer, an 2 Fronten - bei Firmen und Bewerbern. München und die Menschen hießen mich zum Teil willkommen, aber ich war immer noch einer vom Dorf, aus dem Osten und auch ein bisschen komisch. Das hat mich geärgert. Dann halt ganz woanders, wo ich niemandem etwas beweisen muss. Nochmal Shanghai.
In Shanghai war ich nur ich und musste nur mir selbst beweisen, was ich kann und will und wo ich hin will. Keine finanzielle Unterstützung - an keiner Stelle und nur ich und mein Geist, um meinen Weg und mein Leben zu finden. Gefunden habe ich es. Vielleicht die prägendste Zeit meines Lebens. Reverse-Cultural-Shock hat aber wirklich gezogen nach 8 Jahren in China. Ich habe mich nicht so richtig getraut, Platz einzunehmen. Da zu sein, Dinge und Orte auch als meine wahrzunehmen. Einfach irgendwo anzurocken und zu zeigen, was ich kann, das ging lange Zeit nur in China. Aber ich habe gelernt. Die beschränktesten Menschen, die ich kennengelernt habe, haben oft eins gemeinsam: ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Oftmals gepaart mit einer herzlichen Prise Ignoranz der Umwelt. Das ist spannend und ganz, ganz lange hat mich das geärgert. Irgendwann lernte ich aber, was hält denn mich davon ab in mich zu vertrauen und oft zu sagen, was ich denke und was ich möchte. Nur ich selbst und das kann man ändern. Ich denke, ich habe das geändert.
Ich hatte unglaublich schlimme Jobs und wurde richtig mies behandelt, aber ich habe nie Brücken abgebrannt. Tatsächlich blieben gerade aus den härtesten Zeiten Freundschaften bestehen und es beeindruckt mich, wie viele meiner Freunde ihre Erfüllung in einer Karriere in Firmen gefunden haben, die ich verlassen habe. Einmal ist ein Italiener zu einem Vorstellungsgespräch erschienen. So um die 20 Jahre alt. Geiler Anzug, schicke Haare und 3-Tage-Bart. In China musstest du mindestens einen Universitätsabschluss haben, um dort als Ausländer zu arbeiten. Hatte er bestimmt, auch wenn da bei einigen geflunkert wurde. Expertise, Erfahrung oder Fachkenntnis waren kaum vorhanden, aber es schien als bewirbt er sich als Geschäftsführer. Der hat richtig Karriere gemacht, woanders und mit schnellen Jobwechseln und das ist doch clever. Ich muss oft an den denken und die freche Art. Der hat sich so gekleidet, wie den Job den er haben wollte. Vielleicht stellt mich ja mal jemand als Superheld an. Derweil bin ich sehr zufrieden da wo ich bin und Leipzig mein zu Hause zu nennen.
Shanghai vermisse ich manchmal. Alles, was dort möglich war. Oder was ich denke, dort machbar war. Das ist auch hier und fast überall und ohne Krieg im Land machbar. Jetzt bin ich wirklich glücklich überall gelernt zu haben und immer weiterzulernen, neue tolle Menschen kennenzulernen und einige schon für eine lange Zeit zu begleiten. Habt ein tolles Jahr ihr Mäuse überall da draußen. Brennt keine Brücken ab und trefft keine Entscheidungen im Affekt und unzufrieden mit euch selbst auf dem Sofa, denn sonst landet ihr in München! ;-)
Das war alles ein Stream-of-Conscious, ich habe einfach hintereinander weggeschrieben, was mir gerade so in den Kopf kam. Wie ist es? Fühlt sich gar nicht so schlecht an, so das Jahr einzuleiten. Schreiben macht mir Spaß und ich hoffe, ihr habt Spaß es zu lesen.
Comedy geht ab und ich freue mich auf 12 Monate voller Auftritte und Podcasts, jetzt vor allem am Wochenende mit Malou und nächste Woche zum Kneipenchaos. Apropos Podcast, hört doch mal in die aktuelle Folge rein und lasst uns von uns in das neue Jahr begleiten, mit Folge 25 (und auch überall wo es Apple Podcast gibt oder Podcasts von dort aggregiert werden):
Auch beim Lesen komme ich ganz gut voran. Mit "Irrlichter" bin ich so weiter im Erzgebirge unterwegs und ich schaffe das Buch in nächster Zeit. Es ist toll, da an nahezu allen beschriebenen Orten schon einmal gewesen zu sein. Das Buch mag auch oft erklären, warum die Erzgebirger so sind, wie sie sind. Damit meine ich warm und ein bisschen wie Zwerge in der Fantasy, aber auch stur und oft schwer beweglich und anpassungsunwillig, aber das ist stark verallgemeinert. Unglaublich schön, wie aus Minen gemeißelte Kunstwerke in nicht minder schöne Natur eingebunden. Doch auch da lauern Gefahren. Einsturzgefahr, harte Umwelt und Umstände und der Wunsch doch zu konservieren. Nach alten Zeiten, obwohl doch die vergangenen Zeiten Wohlstand brachten, man aber diesen sichert und lieber irgendwo nach unten tritt, im Willen den eigenen Stuhl zu stärken, während andere an schweren Kabeln ziehen und die auf den Stuhl stehenden lenken, aber so, dass es kaum auffällt. So wie es eigentlich überall ist und dann hat so ein Zauber. Ein mächtiger aus Wuhan überall die Masken etwas lockerer gemacht und man sieht auf einmal viel einfacher als zuvor und viel offensichtlicher als Empathie verloren ging, wie das ICH in den Vordergrund wucherte und dieses immer weniger von der Gemeinschaft überhaupt zurechtgewiesen wird. Als Hexerei, als Humbug und Blödsinn, um dann gemeinsam wieder anzustoßen und weiter gemeinsam zum Wohle aller zu arbeiten. Mist! Ich bin schon wieder ins Schreiben gekommen...
Während die ganze Welt scheinbar immer mehr frei dreht, freue ich mich über das witzige Chaos, das ich in China jeden Tag erlebt habe. Unschuldig ist das im Vergleich und manchmal blendet man besser aktiv aus, was einen herunterzieht und Dinge, die man sowieso nicht in der Hand hat, wie den orangen Mann und den kesselförmigen Tesla-Chef und den Fritz, der jetzt wahrscheinlich bald Mr. Burns in Deutschland spielen kann und das mit der gleichen Freude, wie der Kernkraftwerkbetreiber der Simpsons. Wie die Nachbarn in Österreich, die scheinbar alle paar Jahre gerne mal Experimente wagen. Es gibt nicht viel zu lachen, genau deshalb muss man es tun. Lasst die Fantasie spielen und nehmt nicht alles zu ernst, auch das was ich schreibe nicht, dafür schreibe ich zu schnell und kann mich auch oft schnell umstimmen lassen. Bei Faschismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit wackelt bei mir nichts, da kann das in noch so hübschem Kleid von irgendwo angesprungen kommen.
Apropos Fantasy. Ich habe dann noch "Weaveworld" von Clive Barker zu Ende gehört. Ich bin seit den Büchern des Blutes ein großer Fan von Clive Barker. Auch wenn ich die Hellraiser-Vorbildbücher noch nicht angerührt habe. Ich habe Fantasy erwartet in Weaveworld und Fantasy bekommen, aber auch recht wenig Horror. Dafür eine Welt in einer Welt in einem Teppich und wunderschöne Prosa. Im Ganzen hat mich das aber nicht wirklich abgeholt und ich hätte gerne gerade in der Mitte viel gekürzt. Clive Barker gebe ich nicht auf und ziehe mir mal die kürzeren Bücher rein.
Auch habe ich Elden Ring gestartet. Es macht Spaß. Ich bin überlevelt und stark genug, noch nicht von irgendjemand frustriert in den Boden gestampft zu werden. Die Welt ist schön und ich weiß nicht so richtig, was Georg R.R. Martin für dieses Spiel geschrieben hat. "Tarnished seek a Maiden and be careful of thee." - weiß nicht, hätte auch in einer Exceltabelle auf verschiedene Charaktere verteilen können und diese jeweils ein paar Zeilen zum Spielercharakter raussäuseln lassen. Ich bevorzuge immer noch Spiele, die mir auf eine spannendere Weise die Story erzählen - siehe Disco Elysium. Die Geschichte, die, die Spielumgebung erzählt ist aber grandios, da hat aber der gute Georg wenig Einfluss gehabt, meine ich.
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Jetzt ist aber auch gut, zieht euch doch mal solche Musik rein: