Wo ich herkomme...
...und viele kleine andere Sachen.

Ich bin komisch. Das englische Wort “Misfit” trifft es ganz gut. Ganz oft habe ich mich bemüht irgendwo dazuzugehören oder halt irgendwo hineinzupassen. Mit 11 Jahren bin ich der lokalen freiwilligen Feuerwehr so sehr auf den Nerv gegangen, dass ich mit 11 statt mit 12 Jahren schon mitmachen durfte. Diese Chance habe ich genutzt und bei allen möglichen Veranstaltungen die krassesten Witze herausgeholt, um Leute, die mindestens doppelt so alt wie meine Winzigkeit war, zum Lachen gebracht habe. 3 andere Kids aus dem Dorf und ich waren wahrscheinlich auch der einzige Grund, dass wir vom Bücherbus besucht wurden. Ich war todtraurig, als der sich irgendwann nicht mehr rentierte.

Die Welt wuchs mit steigendem Alter. Irgendwann habe ich bei der 40 Minuten Busfahrt zum Gymnasium, dann den hinteren Teil des Busses unterhalten. Die Witze waren nicht mehr ganz so krass, aber ich liebte die Aufmerksamkeit und die Gelegenheit Geschichten zu erzählen. Geschichten begegneten mir im täglichen Leben, aber wirklich wegträumen konnte ich mich immer mit Büchern.
Baseballschlägerjahre nennt man jetzt einen Teil der Neunziger und auch ich hab dann einmal mitbekommen wie fragil die Bande waren, die wir dachten unter Freunden zu haben. Einmal hat mich grundlos (wahrscheinlich wegen meiner schwarzen Dreadlocks und schwarzen Fingernägeln) ein betrunkener Neonazi vor einer Eisdiele umhergeschubst - niemand hat geholfen oder Hilfe angeboten. Meine Freunde rannten. Ich habe dann Boxen gelernt. Mit ein paar nun vorbestraften Jungs, die damals einfach körperlich weiterentwickelt waren, obwohl jünger. Weiß auch nicht, was denen gefüttert wurde. Mit steigendem Bildungsgrad nahmen auch Freunde um mich herum ab, die irgendwelche rechtsextremen Ansichten vertraten. Ein paar gab es aber auch noch auf dem Gymnasium, wobei die jetzt alle da herausgewachsen sind. Zum Glück. Diesen Mist fand ich schon immer ekelhaft.
Ich habe nie vergessen, wo ich herkomme, dass ich der erste in der Familie war, der zum Studium weg ist und in das Ausland gegangen ist. Wenn es um die zweite Fremdsprache ging, war ich schnell bei Russisch, leider wenig hilfreich heute und es ist auch sehr eingerostet, aber ich wollte halt auch nie machen, was die meisten wählen. Französisch? Geht’s noch? Heute würde ich mich freuen, Französisch zu können. Später dann Chinesisch und ein langer Aufenthalt dort.
Oft wollte ich vergangene Stationen einfach ablegen, vergessen, mich neu erfinden, mich assimilieren. In München zum Beispiel war es mir super wichtig mich umzumelden und mir alles selbst vor Ort zu suchen. Nummernschild - München, Hausarzt - München, Friseur - München, Freizeitaktivitäten - München und so weiter. Ich blieb aber so ein witziger Typ aus dem Osten. Damals fand ich das befremdlich. Mittlerweile teile ich die Geschichten, die mich zu dem machen, der ich heute bin gerne. Keine der Stationen muss vergessen werden, die gehören alle zu mir.

Selbst in China hatte ich eine Zeit, in der ich einfach alles lokal nutzte, inklusive werbeverseuchter Apps aus China und in dem Glauben ich gehöre doch auch zu den coolen Menschen in Shanghai. Einmal war ich mit chinesischen Freunden im Gym in Zhabei (meiner Hood dort) und im Nebenraum wurde eine Fernsehshow gedreht. Wir kletterten durch die Absperrungen vom Gym in den Raum in dem gedreht wurde und erst als meine Freunde dann durch den Haupteingang die Show verlassen wollten, fiel uns allen kurz auf, dass ich ja doch anders und auffällig aussehe und lieber durch die Absperrung zurückkletterte.
Heute stehe ich da drüber, aber Geschichten liebe ich noch immer. Gerade im Comedy-Bereich liebe ich die Misfits, die Menschen, die mich ein bisschen an mich erinnern und einfach ihr Ding machen. Leipzig ist in manchen Belangen kein einfaches Pflaster für Comedy. Es ist schon ein paar Mal vorgekommen, dass Comedians oder deren Jokes als sexistisch oder rassistisch verstanden wurden. Kein Comedian und keine Comedienne, die ich kenne, ist rassistisch oder willentlich sexistisch unterwegs. Wir lernen alle noch und manchmal sind Jokes einfach drüber, davon lernen wir und wir achten natürlich auch Grenzen - wir machen aber Fehler, worüber man auch lachen darf und an denen man natürlich wächst.
Heute berühren mich immer noch viele Bücher und Geschichten. Oftmals kommen die von einem meiner anderen Hobbys: Computerspiele. In den letzten Jahren haben mich Spiele wirklich berührt und mitgenommen, wie es kein anderes Medium kann. Ich nehme mich mittlerweile weniger Ernst und bin dankbar als Ossi aufgewachsen zu sein (und auch alle jobtechnischen und geografischen Zwischenstationen) und das sind Stärken, die man mitnehmen kann. Wir können alle noch viel mehr, also lass uns das doch einfach nach außen tragen.